Hm; also eins vorweg. Ich habe da eine Geschichte, die ich hier gern veröffentlichen würde. poldi und DK kennen sie bereits, und ich habe nicht vor, mich damit wichtig zu machen, sondern möchte damit gern den Anfang machen, vllt. fällt es dann auch anderen leichter, etwas von sich zu schreiben.
Wenn es nicht recht sein sollte, oder der Thread anders gemeint war, dann bitte löschen.
2001. Ich bin bei der Bundeswehr und habe gerade meinen Gesellenbrief gemacht. Ich will nichts weiter, wie die zehn Monate Grundwehrdienst hinter mich bringen und zu Hause wieder meinen Beruf nachgehen. Ich zähle die Tage und kann es eigentlich kaum erwarten. Doch alles sollte anders kommen.....
Wir gingen abends aus; wir sind ein paar Kameraden und ich. Kleine Stadttour mit dem einen oder anderen Absacker in den Kneipen Dillingens. Eines Abends fanden wir dann unser "Stammlokal" - was tagsüber eigentlich mehr ein Eiscafe war, abends jedoch auch gerne mal etwas "anderes" getrunken wurde....
Dort lernte ich dann meine damalige Freundin kennen. Was ich noch nicht wußte: dass ich später einen Sohn haben werde. Nun, es kam also der Tag, an der sie erfuhr, dass sie schwanger war. Oh je..... einen Monat vor dem Ausscheiden aus der Bundeswehr. Eigentlich wollte ich doch nach Hause; wieder in meine Heimat, die mir so am Herzen lag.....
Einige schlaflose Tage, nein - Wochen - später kam es dann dazu, dass ich meine Heimat aus "Pflichtgefühl" meines Sohnes gegenüber verließ und dorthin zog, wo es mir überhaupt nicht gefiel. Meine Depressionen, die ich zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon seit gut 5 Jahren hatte, wurden massiv. Eine Lösung mußte her, schnell!
Aus irgendeinem Grund kam ich auf die Idee, doch "einen zu trinken". "Es wird schon wieder. Erstmal ein Schnäpschen, immer ruhig bleiben. Ich gewöhne mich schon noch daran. Bestimmt."
Tatsächlich - die Depression war an dem Abend kaum noch spürbar. Auch am nächsten Tag entschied ich mich für diese "Methode" damit fertig zu werden. Ich trank wieder. 3, vielleicht 4 Gläser. Das reichte durchaus. Doch wie sollte es auch anders sein, aus die paar Gläser wurde später eine dreiviertel Flasche, dann eine ganze (täglich, bzw jeden Abend). Zu diesem Zeitpunkt "schmeckte" mir der Kräuterlikör oder auch Jagdbitter besonders gut. Aus heutiger Sicht kann man also sagen, das war meine "Einstiegsdroge".
Es blieb also eine ganze Weile - gut 5 Jahre lang - bei dieser Menge Alkohol. Jeden Abend eine Flasche Schnaps. Mal Kräuterlikör, mal Wodka, mal Weinbrand. Manchmal aber auch 2-3 Liter Wein. Oder einen Liter Wein UND Schnaps. Wieviel genau weiß ich nicht mehr.
Während dieser Zeit geschah sehr viel. Die Trennung von meiner damaligen Partnerin (ich hatte die Beziehung beendet, da sie sich von ihren Eltern nicht "trennen" konnte), meine Rückkehr ins Elternhaus, mein Auszug ein halbes Jahr später und damit mein Einzug bei meiner jetzigen Partnerin.
Heute bin ich über 3 Jahre mit ihr zusammen.
Letztes Jahr dann sagte sie irgendwann zu mir: "Ich glaube, Du hast ein Alkoholproblem!" "Ach was!" erwiderte ich. "Wieso denn?! Ich brauche nicht trinken."
Ein paar Mal versuchte ich dann auch meinen Alkoholkonsum zu reduzieren oder gar ein paar Tage auszusetzen. Doch es gelang mir nicht mehr so recht. Zwei, vielleicht drei Tage lang. In diesen Tagen hatte ich dann aber immer schlechte Laune und das "Verlangen" etwas zu trinken. Heute weiß ich, dass das bereits Suchtdruck war. Aber zu diesem Zeitpunkt sah ich mich noch immer nicht als Alkoholiker.
Wieso auch? Jeder andere! Aber nicht ich! Niemals!
Ich trank nie vor einer bestimmten Zeit; für mich war ein Alkoholiker jemand, der schon
s seinen "Stoff" braucht. Das war nicht der Fall, warum sollte ich also aufhören zu trinken?! Ich bin kein Alkoholiker und ich habe auch keine Probleme, basta. Prost!
Doch die Probleme hatten schon lange begonnen ohne sie bemerkt zu haben.
Sprach mich meine Partnerin bspw. darauf etwas verärgert an: "Trinkst Du schon wieder?! Du hast gestern erst wieder Deinen Schnaps ausgetrunken!" so fing ich an, mir etwas auszudenken, um die ganze Sache zu umgehen. Jeder Alkoholiker weiß was jetzt kommt - richtig, genau das, was ein typisches Verhaltensmuster ist: ich suchte mir Verstecke und leugnete alles. Ich fing an, heimlich zu trinken. Ich suchte nach Ausreden, fand man die Flasche trotzdem - mal abgesehen von der Tatsache, dass man immer glaubt, es merkt sowieso niemand. Kam es dann zu Diskussionen, so war der Streit vorprogrammiert. Ich wurde regelrecht aggressiv. Wie oft kam es vor, dass ich
s aufwachte und ich keinerlei Erinnerung mehr an den vergangenen Abend hatte.....
Irgendwann merkte ich dann, dass da wirklich etwas nicht mehr ganz normal laufen kann, wie ich es immer vermutete und wollte von anderen Leuten hören, ob ich nun ein Problem habe oder nicht. Ich setzte mich an meinen PC und stieß dann auf etwas, was mir die Augen öffnete.
"Ja verd.... nochmal. Es stimmt. Ich habe ein Problem."
Noch in der gleichen Woche ging ich zu meinem Hausarzt. Mit einem unangenehmen Gefühl in der Magengegend, dass man glaube ich "Scham" nennt, gemischt mit etwas Angst öffnete ich mich dann und berichtete ihm alles.
Die Ereignisse überschlugen sich regelrecht. Donnerstag Einweisung, Anruf im BKH, am Wochenende Koffer packen, Montag dann in die Klinik.
1. Entgiftung.......
8 Tage später.
Voller Euphorie verließ ich die Klinik. Stolz, prall gefüllt mit Selbstbewußtsein passierte ich die Schranke. Ich schaute aus dem Fenster des Autos und verabschiedete mich von der Klinik. "Ihr seht mich nie wieder. Nie wieder Alkohol."
14 Tage danach.
Rückfall. Grund: Streitgespräch mit meinem Vater. 0,2l "Klaren" aus der Tankstelle.
Da nahm dann alles seinen Lauf....
Zweienhalb bis drei Flaschen Schnaps gehören zum Alltag. Sie sind nicht mehr weg zu denken. Mir geht es schlecht. Ich hasse den Alkohol. Ich hasse mich. Ich bin süchtig. Ich bin Alkoholiker. Ich kann nicht mehr ohne. Es reicht.
Arzt, Einweisung, 2.Entgiftung, Suchberatung, Therapie & SHG.
Das kam vor meiner 2. Entgiftung:
Die 2-3 Flaschen Schnaps am Tag (0,7 l , nicht unter 36%) machten mich fix und fertig. Es wurde nicht mehr die Frage gestellt: 'Wann ist er wohl wieder besoffen?' sondern 'wann ist er wieder mal nüchtern?'
Kaum noch.
Zu der Zeit war ich soweit, dass ich
s um halb 5 Uhr (kaum vorstellbar) aufstand, und ich erstmal über der "Schüssel" hing. Mir war schlecht. Das Herz raste, zittern. Aber nicht nur die Hände. Der ganze Körper! Sogar an meiner Stimme konnte man bereits erkennen, dass ich zitterte (ich führte keine Telefonate mehr). Also? Richtig! Ich fing an, um diese Uhrzeit zu trinken. Flasche an den Hals und.... Nach einer viertel Flasche gings mir dann besser.
Aber mein Körper spielte fast nicht mehr mit. Ich hatte kaum noch Kraft in den Beinen, fühlte mich müde und schlapp. Essen ging gar nicht mehr, außerdem verzichtete ich bewußt darauf; auf nüchternen Magen wirkte das Zeug besser, also immer schön fleißig den Hunger mit einem weiteren Schluck Alk "runtergespült".
Irgendwann kam der Punkt, an dem ich sagte: "Leute, ich kann nicht mehr! Ich will nicht mehr!"
Ich bat also meinen Vater, mich in die Klinik zu fahren, sobald es ging - meine Partnerin sollte erst noch entbinden, außerdem waren wir noch mitten im Umzug in eine größere Wohnung....das alles mußte ich erst noch erledigen, denn meiner Partnerin konnte ich zu dieser Zeit ja kaum den Umzug zu muten. Für mich wurde er allerdings zu Qual....
Nachdem wir dann hier eingezogen waren und der größte Teil erledigt war, holte ich mir die Einweisung.
Wir fuhren ins BKH.
Morgens, 9 Uhr. Aufnahme in der Klinik, Alktest: 3,11 Promille. Ich dachte, die wollten mich auf den Arm nehmen, denn ich fühlte mich gerade mal etwas angeheitert (bei der 1.Entgiftung kam ich komplett nüchtern, also mit 0,00 rein - diesmal rechnete ich mit vllt 0,8). Ich sagte: "Hey, das Ding ist doch kaputt!!" Die Schwester lächelte und versicherte mir, dass es garantiert nicht kaputt sei....
Ich bezog also "mein Zimmer" und legte mich etwas hin. Konnte aber nicht schlafen, die Gedanken an zuhause, das Heimweh machte mich fertig.
Am Nachmittag ein weiterer Test. 1,74 Promille. Zittern. Puls 245 /
Die Ärzte fingen an, sich etwas Sorgen zu machen; ich hörte einen sagen, dass ich bereits mit meinen Entzugserscheinungen in einem lebensbedrohlichen Zustand sei, und das bei einem Promillewert, bei dem andere eigentlich schon ordentlich "voll" sind.....
Am 4. Tag in der Klinik gings mir eigentlich wieder besser. Dachte ich.-
Ich ging raus um eine zu rauchen, mit meiner Partnerin zu
ieren. Es war ein schöner Tag, die Sonne schien, die Luft war herrlich. Ich zündete mir eine Kippe an und wählte die Nr.
Keine 3 Sätze gesprochen, merkte ich, dass es mir übel wurde - vergleichbar mit Kreislaufprobleme, kennt ja bestimmt jeder - meine Augen fingen an zu zucken, ich nahm ein Rauschen wahr, sah nur noch etwas "buntes"... alles was ich noch sagen konnte: "Schatz...wart mal...muss mich setzen...."
Von da an, weiß ich nichts mehr; nur dass ich dann in meinem Bett lag, an die Decke starrte und nichts mehr außer meiner Unterhose anhatte....
Mit wurde später erzählt, dass ich einen Krampfanfall erlitten hatte....
Bei einem weiteren Gespräch mit dem Oberarzt, wurde mir dringlichst zu einer Therapie geraten. Er meinte, dass ich bereits so schwer abhängig sei, dass ich meinen 30. Geburtstag nicht mehr erleben werde....
Ein Schnelldurchgang bis zur Therapie:
am 8.Tag ließ ich mich gegen ärztlichen Rat entlassen; hatte dann zuhause noch 3, 4 Tage Entzugserscheinungen, blieb bis zur Therapie aber weiter mithilfe der Suchtberatung und einer SHG weitere 4 Wochen trocken, dann eben 12 Wochen Therapie.
Letztes Jahr Dezember dann wieder ein Rückfall. Warum? Hm, ich wurde mit jeder Woche unzufriedener. Ich sagte mir: "Man, ich bin 27 und soll mein ganzes Leben nie wieder was trinken dürfen?! Das geht jawohl mal gar nicht!"
Also versuchte ich "kontrolliert zu trinken". Nur eben am Wochenende...
Das ging auch eine ganze Weile gut.
Ich sagte mir immer: "Unter der Woche keinen Alkohol! Wer weiß, vielleicht bin ich ja auch gar kein Alkoholiker sondern habe es nur etwas übertrieben..."
Doch die Abstände zwischen den Alkohol-Exzessen wurden wieder kürzer, also trank ich auch unter der Woche. Da ich auch gerade in einem Fortbildungskurs, Richtung Verkauf und Lagerlogistik war, war dies immer noch ein gewisser Halt, nicht wieder ganz abzusacken. Doch das Problem war, dass in diesem Kurs einige Leute auch tranken. Und das schon zum Frühstück; bis Feierabend war dann ein Pegel nicht mehr zu verkennen.
Eines Freitags dachte ich mir: "Ach ja, was solls. Einmal geht schon." Ich ging also mit den anderen mit und kaufte mir einen kleinen 0,1 l Wodka. Nur leider waren es bis zum Feierabend schon 5 davon - und einen halben Liter Schnaps merkt man dann eben doch.... Ich kam nach Hause, meine Partnerin sah es natürlich sofort und wollte, dass ich wieder gehe.
Noch am selben Abend packte sie mir ausnahmslos ALLE Sachen - Klamotten, CD's, einfach alles.
Irgendwie schaffte ich es, dass ich bleiben konnte. Doch ich trank weiter.
Die Gruppe besuchte ich schon lange nicht mehr, zum einen aus Scham, zum anderen weil ich keine Lust mehr hatte. Alles was ich wollte war in Ruhe weiter trinken zu können.
Bis an jenem Abend.....
Die Schwiegermutter kam zu Besuch und brachte heimlich eine Flasche Wodka mit von der ich natürlich sofort Kenntnis nahm. Obwohl die Flasche noch dreiviertelst voll war, kaufte ich gleich noch eine. Wir leerten die erste Flasche, dann die zweite. Gegen halb elf abends war ich prall und schlief fast auf der Couch ein. Und dann....Leute, ich schwörs, ich weiß nicht was dann los war.... Filmriss. Die erschreckende Tatsache, was ich angestellt hatte, erfuhr ich erst am nächsten Tag....
Mir ist das ungeheuer peinlich und ich schäme und hasse mich dafür;
meine Partnerin wollte mich nur wecken und ins Bett bringen...aus irgendeinem Grund griff ich sie an.... sie zeigte mir einen riesigen blauen Fleck auf ihrem Oberarm... auch ihre Mutter habe ich geschlagen.... (ich muss schlucken Leute, es tut mir heute noch sehr leid... )
Das musste ein Ende haben!
Nie wieder darf ich meine Freundin oder irgendjemand angreifen.
Nie wieder!!!
Ich nahm also die Flasche mit dem letzten Rest und schüttete ihn weg. Kein Schluck mehr, nicht mal mehr dran gerochen. Weg damit. Ich will den Dreck nicht mehr. Ich bin mit Alkohol fertig.
Also ging ich wieder in die Gruppe und berichtete alles. Ich schämte mich, zitterte und
te fast. Doch ich wurde nicht verurteilt, sondern in meinem Willen nichts mehr zu trinken, bestärkt.
Auch wenn es ein tragisches Ereignis war und ich das am liebsten rückgängig machen würde - so sehe ich es dennoch als Erfahrung und als Zeichen, dass mich der Alkohol zu jemanden macht, der ich nicht bin. Er verändert mich, er macht alles kaputt. Den Kampf gegen Alkohol habe ich verloren, ich wurde süchtig und muss damit leben, nie wieder zu trinken.
Seit dem trinke ich keinen Tropfen Alkohol mehr und bin jetzt fast wieder 2 Monate trocken (Entzug ohne Klinik), besuche wieder die SHG, die Suchtberatung und sogar den psychologischen Beratungsdienst.
Ich weiß, dass man nie ganz sicher sagen kann, dass man nie wieder rückfällig wird - aber mit den Erinnerungen an all dem, was mir der Alkohol angetan hat, was ich mit ihm anderen angetan habe und hätte alles verlieren können, lebe ich abstinent - hin und wieder denke ich schon daran, "wieder mal einen zu trinken" - die Gedanken daran, was aber alles passiert ist und passieren kann hindern mich letzten Endes daran, doch wieder rückfällig zu werden.
Wenn Ihr Fragen oder Gedanken dazu habt, nur raus damit. Ich versuche auf alles zu antworten.